arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Aktuelles

28.09.2018 | Rede

Verleihung des Siegfried-Lenz-Preis

Sehr geehrte Frau Lenz,
Sehr geehrter Herr Ford,
sehr geehrte Frau Lueken,
sehr geehrter Herr Berg,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen im Hamburger Rathaus zur Verleihung des Siegfried-Lenz-Preises 2018, mit dem seit 2014 alle zwei Jahre hier in Hamburg international bedeutende Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausgezeichnet werden.

Er ist ein junger Preis, gehört aber dennoch bereits zu den bedeutendsten Literaturpreisen in Deutschland. Vor unserem heutigen Preisträger haben ihn nur Amos Oz und Julian Barnes erhalten.

Der Stifter hat festgelegt, dass das schöpferische Wirken der Preisträger dem Geist Siegfried Lenz´ nahe sein möge. Aber was ist der Geist von Siegfried Lenz?

In seinen 14 Romanen und etwa 120 Erzählungen schlug er in der Regel einen nüchternen und abwägenden Ton an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zivilisationsbruch der Nationalsozialisten setzte Lenz auf Vernunft, Aufklärung und Humanität.

Er suchte das Maßvolle, das Verbindende und Verbindliche.

Die Werke von Lenz stehen damit im Kontrast zur heutigen aufgeregten und konfliktreichen Zeit, in der die politische Stimmung in Europa aufgeheizt ist und die Demokratie weltweit unter Druck steht.

Dieser Geist spiegelt sich in den Werken Richard Fords, für den stets der Mensch Vordergrund steht.

Mit seinen Figuren geht er außergewöhnlich gnädig um. Lässt er sie straucheln, dann meistens ohne erkennbare eigene Schuld.

Wenn sie versagen, aufgeben oder Entscheidungen treffen, die in eine Sackgasse führen, begegnet er ihnen mit Verständnis und erlaubt ihnen ein Umdenken.

Auch wenn Richard Fords Amerika ein ganz anderes ist als das Nachkriegsdeutschland von Siegfried Lenz, so verbindet die Autoren unter anderem diese humane schriftstellerische Haltung gegenüber den Menschen.

Meine Damen und Herren,
für die Europäer und auch für uns in Deutschland und in Hamburg ist es nicht immer einfach, die USA zu verstehen, gerade in letzter Zeit, in der ein amerikanischer Präsident viele Europäer ratlos, sprachlos und manchmal fassungslos macht.

Aber wir sollten es immer wieder versuchen und den Blick dabei auf das Grundlegende und Wesentliche richten.

Richard Fords Literatur kann uns dabei helfen, die Beweggründe hinter dem Lärm, die Sehnsüchte, Ängste und alltäglichen Herausforderungen vieler Amerikanerinnen und Amerikaner nachzuvollziehen.

Die Jury lobt ihn als "Meister der Beobachtung und der Beschreibungskunst".

Die großen Werke von Richard Ford -

  • "Der Sportreporter" von 1986,
  • "Unabhängigkeitstag" von 1995,
  • "Die Lage des Landes" von 2007 oder
  • "Frank" aus dem Jahr 2015

- lassen die Leserinnen und Leser die facettenreiche Entwicklung der USA begreifen und nachvollziehen.

Die USA wirken in Europa häufig faszinierend und befremdlich zugleich. So könnte es auch Siegfried Lenz gegangen sein, als er 1962 auf Einladung des deutschen Botschafters eine Reise durch das Land unternahm.

Die politische Stimmung war auch in den 60er Jahren aufgeheizt durch den Ost-West-Konflikt, die Kubakrise, die Debatte um die Atombombe, das militärische Eingreifen der USA in Vietnam und die beginnende Auflehnung gegen die Segregation.

Siegfried Lenz ließ sich dadurch nicht davon ablenken, sich dem Alltag der Menschen in New York, Virginia, Wyoming, San Francisco oder New Orleans zu widmen.

Das "Amerikanische Tagebuch" erschien erst 2012, 50 Jahre nach der Reise, und ist ein beeindruckendes Zeitdokument.

Es zeigt, wie ein junger deutscher Schriftsteller sich während der Reise den Menschen nähert und sie ohne Ressentiments oder Verklärung zu verstehen versucht.

Auch darin sind Siegfried Lenz und Richard Ford, um es poetisch zu sagen, "Brüder im Geiste".

Im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg danke ich der Siegfried-Lenz-Stiftung für ihre Arbeit und der Jury für die treffende Auswahl des Preisträgers.

Sehr geehrter Mr. Ford, ich gratuliere Ihnen herzlich zum Siegfried-Lenz-Preis 2018.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.