"Nordwest Zeitung": Die Vertiefung der Elbe ist für Hamburg von großer Bedeutung. Sind die Möglichkeiten einer weiteren Vertiefung für Containerschiffe der neuesten Generation ausgereizt?
Peter Tschentscher: Nein. Mit der jetzt vorbereiteten Fahrrinnenanpassung kommen wir an den real genutzten Tiefgang der derzeit größten Containerschiffe heran und werden damit für die weltweit wichtigsten Reedereien wieder besser erreichbar. Derzeit können die großen Schiffe von 20.000 TEU den Hamburger Hafen nicht mit der für Hamburg destinierten Ladung und zeitlich nur sehr eingeschränkt erreichen. Wir benötigen also die geplante Fahrrinnenanpassung, um gegenüber Rotterdam und Antwerpen wieder wettbewerbsfähiger zu werden.
"Nordwest Zeitung": Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven?
Peter Tschentscher: Bremen, Niedersachsen und Hamburg müssen sich mit ihren Häfen gemeinsam gegenüber Rotterdam und Antwerpen behaupten – denn das sind unsere eigentlichen Konkurrenten. Wir sollten daher gemeinsam mit dem Bund eine bessere Abwicklung der Einfuhrumsatzsteuer organisieren, die derzeit ein Standortnachteil der deutschen Seehäfen gegenüber anderen europäischen Ländern ist. Für viele Zielgebiete ist unsere östliche Lage ein Vorteil, denn jeder Kilometer mehr, den ein Container auf See transportiert werden kann, ist für die Umwelt und für die Transportkosten ein Vorteil. In dieser Hinsicht ist es auch gut, dass die Container über die Elbe einen weiten Weg ins Landesinnere in den Hamburger Hafen gelangen können.
"Nordwest Zeitung": Das würde eine engere Kooperation mit dem Jade-Weser-Port nicht ausschließen?
Peter Tschentscher: Wir haben durchaus gemeinsame Interessen, zum Beispiel bei der Verbesserung der Verkehrsanbindung nach Süden, insbesondere im Güterverkehr auf der Schiene. Sowohl für die Bremer Häfen wie für den Jade-Weser-Port als auch für den Hamburger Hafen gibt es genug zu tun. In einer globalisierten Wirtschaft besteht ein hoher Bedarf an Gütertransport, und moderne maritime Logistik ist die umweltfreundlichste und wirtschaftlichste Form des Warentransports. Bremen und Hamburg profitieren zudem davon, dass viele Güter in ihrer Region auch verarbeitet werden. Airbus, die Windenergiebranche und viele andere Industriebetriebe wären nicht in Hamburg, wenn es keine Seeanbindung gäbe. Zudem befinden sich viele Zulieferbetriebe in Norddeutschland, die zu weiteren Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Steuereinnahmen führen.
"Nordwest Zeitung": Zur Hinterlandanbindung gehört auch die Küstenautobahn 20, die Hamburg besser mit dem Westen verbindet, aber es geht nicht so recht voran …
Peter Tschentscher: Ja, das muss besser werden. Wir sprechen mit den anderen Ländern und dem Bund auch darüber, wie wir die Planungsprozesse für große Infrastrukturprojekte in Deutschland beschleunigen können. Lange Planungs- und Bauzeiten sind aber kein Argument gegen solche Vorhaben, die auch für Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte gemacht werden. In Hamburg sind viele Straßen, Hafenanlagen oder U-Bahnen vor über hundert Jahren erdacht worden – und bis heute sind wir froh, dass es sie gibt. Hamburg ist derzeit dabei, die sogenannte Hafen-Querspange, eine Verbindung der A 1 und der A 7, zu organisieren. Vor allem müssen wir in Deutschland aber die Schienenverkehrswege verbessern.
"Nordwest Zeitung": Schon vor 20 Jahren wurde über Projekte wie die Y-Trasse gesprochen. Noch immer gibt es kein Ergebnis.
Peter Tschentscher: Das liegt auch daran, dass nicht Bremen, Hamburg und Niedersachsen darüber entscheiden, sondern dass der Bund und die Deutsche Bahn da verantwortlich sind. Wenn wir den Klimaschutz und die Wirtschaftlichkeit verbessern wollen, muss aber mehr Güterverkehr auf die Schiene. Mit der festen Fehmarn-Belt-Querung wird in einigen Jahren viel mehr Güterverkehr von und nach Skandinavien über die Schiene möglich sein. Im Personenverkehr wird man dann von Hamburg aus in zweieinhalb Stunden Kopenhagen mit den Zug erreichen können.
"Nordwest Zeitung": In Oldenburg haben die Bürger Angst vor einem massiven Anwachsen des Güterverkehrs auf der Schiene.
Peter Tschentscher: Wir haben in Hamburg vor einigen Jahren gemeinsam mit der Bahn viele Lärmschutzwände entlang der Güterbahnstrecken gebaut. Das hat die Lärmbelastung der Anwohner deutlich verringert. Bei einem Transport mit dem LKW entsteht im Vergleich zum Schienentransport sogar mehr Lärm und Umweltbelastung. Wir müssen in Deutschland jetzt unbedingt in unsere Verkehrswege investieren, um gegenüber anderen Ländern nicht zurück zu fallen, unsere Wirtschaftskraft zu stärken und damit den Wohlstand zu sichern.
"Nordwest Zeitung": Ein wichtiges Projekt ist ein Flüssiggasterminal an der Nordseeküste. Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven sind mögliche Standorte. Wie sehen Sie die Realisierungschance?
Peter Tschentscher: Die Chancen stehen gut, denn es besteht ein dringender Bedarf für eine Versorgung von Container- und Kreuzfahrtschiffen mit Flüssiggas als umweltfreundlichem Brennstoff. Die Emissionen der Schiffsmotoren sind gerade für einen stadtnahen Hafen wie in Hamburg ein großes Problem. Deshalb fördern wir auch eine Landstromversorgung, bei der die Schiffsmotoren während der Liegezeiten im Hafen abgestellt werden können.
"Nordwest Zeitung": Ein Thema, das die Bürger in Hamburg wie in Oldenburg umtreibt, ist der Mangel an Wohnungen. Was können Sie Ihrem Oldenburger Kollegen Jürgen Krogmann raten?
Peter Tschentscher: Ich würde raten, möglichst viele Wohnungen zu bauen. Wir haben derzeit einen Trend zur Urbanisierung, das heißt viele Menschen zieht es in die Städte. Damit die Mieten in den attraktiven Städten bezahlbar bleiben, muss es für die zusätzliche Wohnungsnachfrage ein ausreichendes Angebot an verfügbaren Wohnungen geben. Wir erschließen in Hamburg daher viele neue Flächen für den Wohnungsbau und erteilen Baugenehmigungen für über 10.000 neue Wohnungen pro Jahr. Das hilft gegen den Anstieg der Mieten und ermöglicht vielen Menschen, dort zu wohnen, wo sie arbeiten und auch leben möchten. Unsere städtische Wohnungsbaugesellschaft beteiligt sich seit einigen Jahren wieder aktiv am Wohnungsneubau, zunächst mit 1.000, in Zukunft mit 2.000 neuen Wohnungen pro Jahr, die dann auch günstig zu mieten sind. Darüber hinaus haben wir viele Wohnungsbaugenossenschaften und natürlich private Wohnungsbauinvestoren.
"Nordwest Zeitung": In Münster gibt es Projekte, wo Grundstücke nicht nach dem Höchstgebot abgegeben werden
Peter Tschentscher: Wir machen das ähnlich. Bei größeren Grundstücken führen wir sogenannte Konzeptausschreibungen durch. Der Preis geht hierbei nur mit 30% in die Bewertung ein. Die wohnungspolitischen, städtebaulichen und energiebezogenen Merkmale werden mit insgesamt 70% bewertet. Genossenschaften bieten dabei oft niedrigere Kaufpreise, erhalten aber aufgrund ihrer guten Konzepte dennoch den Zuschlag. Wir verzichten dabei also auf einen Teil der möglichen Grundstückserlöse, um Qualität zu bekommen: Soziale Einrichtungen, ambulante Pflegestützpunkte für Seniorenwohnungen, Kitas, Grünanlagen – eben das, was wir in einer lebenswerten Stadt brauchen. Einen neuen Ansatz haben wir für Familien mit durchschnittlichem Einkommen entwickelt, die zwar oberhalb der Grenzen für den Anspruch auf eine Sozialwohnung liegen, sich aber keine Wohnung mit einer Miete von zwölf Euro pro m² Wohnfläche leisten können, die oft bei der Neuvermietung frei finanzierter Wohnungen verlangt wird. Bei den sogenannten Acht-Euro-Konzeptausschreibungen müssen sich die Bieter verpflichten, die Wohnungen für eine Dauer von zehn Jahren für nicht mehr als acht Euro netto-kalt pro m² Wohnfläche zu vermieten. Aber auch das Bauen selbst muss bei einer solchen Mietbegrenzung kosteneffizient sein. Mit unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA wollen wir vormachen, wie der Acht-Euro-Wohnungsbau funktionieren kann.
Das Interview führten Hans Begerow und Lars Reckermann.