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Aktuelles

Bild: Pressestelle des Senats

03.10.2023 | Rede

Festakt zum Tag der Deutschen Einheit

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrte Frau Büdenbender,
Frau Bundestagspräsidentin,
Herr Bundeskanzler,
Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
Doyen und Mitglieder des Diplomatischen Korps,
Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern,
Mitglieder der Bundesregierung,
Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage,
sehr geehrte Abgeordnete,
hohe Repräsentantinnen & Repräsentanten der Kirchen & Religionsgemeinschaften, 
Vertreter der Bundeswehr,
sehr geehrte Mitglieder der Bürgerdelegationen,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zum Tag der Deutschen Einheit 2023 in Hamburg!

Ich begrüße auch sehr herzlich den südkoreanischen Minister für Wiedervereinigung, der an diesem besonderen Tag unser Gast ist.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am Vorabend der Wiedervereinigung vor 33 Jahren versammelten sich in Hamburg vor dem Rathaus über 200.000 Bürgerinnen und Bürger.

Um Mitternacht entbrannten Jubel und Freude. Die Glocken der Hauptkirchen läuteten. Über der Alster leuchtete ein Feuerwerk. Deutschland war nach über 40 Jahren wiedervereinigt. Am Tag der Deutschen Einheit feiern wir dieses historische Ereignis, das einen Wendepunkt in der Deutschen Geschichte und einen Meilenstein auf dem Weg zu einem geeinten Europa darstellt. 

Doch die Erinnerung an den Jubel und die Euphorie dieser Tage kann nicht darüber hinweggehen, dass die Lasten der Teilung und Wiedervereinigung nicht gleich verteilt waren. 

Während sich viele im Westen, in meiner Generation, mit der Mauer abgefunden hatten, waren es die Menschen im Osten – in Leipzig, Halle, Magdeburg, Dresden und vielen weiteren Orten –, die kein Risiko gescheut und einen friedlichen Weg in die Freiheit errungen haben. 

Während sich im Westen nach 1990 wenig änderte, erlebten die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR in ihrem privaten und beruflichen Leben Umbrüche, Härten und Benachteiligungen, die zum Teil bis in die Gegenwart reichen.

Als am 3. Oktober 1991 in Hamburg zum ersten Mal in der Geschichte der wiedervereinigten Bundesrepublik der „Tag der Deutschen Einheit“ gefeiert wurde, sagte der damalige Bundesratspräsident und Erste Bürgermeister Henning Voscherau: „Dieses erste Jahr der Einheit war das Jahr der Ernüchterung.“ 

Er beschrieb die großen Anforderungen für das Zusammenwachsen und das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West. 

Dennoch beendete Bürgermeister Voscherau seine Rede mit der hanseatischen Botschaft: „Wir brauchen nicht verzagt zu sein. Mit Tatkraft und Zuversicht, mit Geduld und Toleranz, werden wir die Herausforderungen der Einheit bestehen.“

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch wenn das Zusammenwachsen in mancher Hinsicht noch andauert, ist die Wiedervereinigung von Ost und West und die damit verbundene Aufbauarbeit seit 1990 bereits in einer historischen Dimension geglückt. 

Diese Erfahrung kann uns die Zuversicht geben, dass wir auch die großen Aufgaben der heutigen Zeit bewältigen: Die Transformation zu einem klimaneutralen Leben und Arbeiten, der Umgang mit den krisenbedingten globalen Flüchtlingsbewegungen und die Neuorientierung in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine.

Niemand kann derzeit wissen, welche Risiken und Probleme uns noch begegnen, doch, so Willy Brandt, „Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen ist, sie zu gestalten“. 

„Darum“, so ein weiterer Rat von Willy Brandt, „besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will…“

Sehr geehrte Damen und Herren, 

wir feiern den 3. Oktober jedes Jahr in einem anderen Land. Auf diese Weise kommen die regionale Vielfalt, die unterschiedlichen Prägungen und Erfahrungen der Menschen in Deutschland zur Geltung.

Was kann Hamburg als Jahrhunderte alte Stadtrepublik einbringen für den Weg Deutschlands in die Zukunft? 

Nun, wir hatten nie prächtige Schlösser, waren nie Hauptstadt und Regierungssitz. Doch wir haben einen großen Hafen und waren dadurch immer ein Tor zur Welt, eine internationale Stadt.

Über Hamburg sind seit Jahrhunderten Menschen ausgewandert und auch aus aller Welt zu uns gekommen. Derzeit leben in unserer Stadt Menschen aus über 190 Nationen. 

Aus der Vielfalt der Kulturen sind hanseatische Toleranz und Weltoffenheit gewachsen, die zugleich Freiheit bedeuten für das eigene Leben.

Diese Vielfalt ist eine Bereicherung, die Kreativität und neue Ideen freisetzt.

Da Hamburg nie einen Kaiser, König oder Fürsten hatte, haben die Bürgerinnen und Bürger ihr Schicksal stets selbst in die Hand genommen. 

Ich bin in der glücklichen Lage, Bürgermeister einer Stadt zu sein, in der die Menschen nicht nur fragen, was die Stadt für sie tun kann, sondern in der die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kirchen und Vereine auch immer fragen, was sie für ihre Stadt tun können.

Sehr geehrten Damen und Herren,

dass Menschen solidarisch miteinander umgehen, sich einbringen und für das Gemeinwesen engagieren, dieses Potenzial, diese Kraft gibt es in ganz Deutschland. 

Es ist beeindruckend zu sehen, wie in vielen Regionen die Stärken und Chancen genutzt werden, um das Land voranzubringen, die Wirtschaft zu stärken, die Lebensbedingungen zu verbessern. 

Diesen Geist und Gemeinsinn brauchen wir in einer Zeit, die geprägt ist von großen Veränderungen.

Für die Zusammenarbeit in Deutschland ist der Föderalismus ein starkes Fundament.  

Das Grundgesetz bindet die Länder in die nationale Gesetzgebung ein, und damit auch ihre unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen. 

Bund und Länder haben damit auch die Verpflichtung, in Fragen von nationaler Bedeutung zusammenzuwirken und gemeinsame Antworten zu finden.

So haben Bund und Länder erst vor kurzem gemeinsam beschlossen, die Windenergie in allen Ländern auszubauen, um die regenerative Energiewende voranzubringen.  

Durch ein koordiniertes gesamtstaatliches Vorgehen ist es uns in kürzester Zeit gelungen, unabhängig zu werden von russischem Erdgas. 

Nur wenige Monate nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben Bundestag und Bundesrat gemeinsam mit einer Grundgesetzänderung ermöglicht, die Bundeswehr zu stärken. 

Das alles sind Beispiele für ein starkes gesamtstaatliches Handeln, das Deutschland in diesen Zeiten braucht.

Mit großer Geschlossenheit stehen wir gemeinsam mit unseren internationalen Partnern an der Seite der Ukraine in ihrem Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit. 

In den Ländern, Städten und Kommunen herrschte von Anfang an große Hilfsbereitschaft.

Hamburg hat mit der ukrainischen Hauptstadt Kyiv einen „Pakt für Solidarität und Zukunft“ geschlossen: für die humanitäre Hilfe heute, und eine strategische Partnerschaft für den Zeitpunkt, zu dem der Wiederaufbau beginnen kann.

Wladimir Klitschko ist heute bei uns. Viele Grüße an Ihren Bruder Vitali Klitschko, den Bürgermeister von Kyiv: Wir stehen weiterhin an Ihrer Seite!

Sehr geehrte Damen und Herren,

nur ein starkes und demokratisches Deutschland kann Verantwortung übernehmen für ein starkes Europa, das sich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einsetzt. 

Nicht Populismus und Polarisierung, sondern Gemeinsinn und Kooperation sind das Gebot der Stunde. 

Dafür tragen wir alle Verantwortung. Jede und jeder einzelne sollte sich fragen, ob sie oder er, dazu einen Beitrag leisten kann. 

Sehr geehrte Damen und Herren,

gerade in Zeiten von Krisen und Umbrüchen kommt es darauf an, neue Chancen zu erkennen, neue Wege zu gehen, Horizonte zu öffnen.

Offenheit, Veränderungsbereitschaft und Zuversicht sind dafür nötig. 

Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, mit unserer wirtschaftlichen Kraft, mit wissenschaftlicher und technologischer Exzellenz kann Deutschland die große Transformation, die unsere Zeit erfordert, schaffen und sogar anführen.

Die Vielfalt, die Innovationsbereitschaft und die guten internationalen Partner Deutschlands geben uns Kraft in einer Zeit des Umbruchs.

Sie machen uns stark für die Aufgaben, die vor uns liegen. 

Stärker als die Zeit.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.