Sehr geehrter Herr Prof. Czech,
sehr geehrter Herr von Notz,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Ausstellung, die heute eröffnet wird, widmet sich den Ereignissen der demokratischen Revolution, die vor 100 Jahren in ganz Deutschland, aber auch bei uns in Hamburg stattgefunden hat.
Damals haben sich die Menschen endgültig von der Monarchie verabschiedet und den Weg der parlamentarischen Demokratie eingeschlagen. Dieser Aufbruch in die Demokratie wurde von dem Grundgefühl der Bevölkerung getragen, die Politik und das soziale Leben selbst gestalten zu wollen.
Dabei ging es nicht nur um demokratische Grundrechte im engeren Sinne, also um das allgemeine Wahlrecht, auch für Frauen, um die Wahl der Regierung durch Parlamente – in Hamburg die Wahl des Senats und Ersten Bürgermeisters durch die Bürgerschaft. Es ging nicht nur um Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit.
Auch vieles andere, was uns heute selbstverständlich erscheint, wurde damals durchgesetzt: Arbeitnehmerrechte, soziale Institutionen und der Zugang zu Bildung. Die Hamburger Volkshochschule und Universität wurden in dieser Zeit gegründet, Betriebsräte in den Unternehmen eingeführt.
Die Revolution von 1918/19 schaffte die Grundlagen für den sozialen und demokratischen Rechtsstaat. Hamburg hat dabei eine besondere Rolle gespielt. Man kann sagen, 1918 / 1919 war die Geburtsstunde des neuen Hamburg.
Von Kiel ausgehend, erfasste die Umbruchstimmung in großer Geschwindigkeit Deutschland. Soldaten sowie Arbeiterinnen und Arbeitern gaben der revolutionären Stimmung den nötigen Schwung.
Der Erste Weltkrieg war zu Ende, aber überall herrschte Hunger und Hoffnungslosigkeit. Die Versorgung der Bevölkerung verschlechterte sich immer mehr. Im Oktober 1918 erreichte die Spanische Grippe ihren Höhepunkt – eine schwere Erkrankung. Tausende starben damals auch deshalb, weil sie durch Unterernährung ohnehin geschwächt waren.
Die Bürgerinnen und Bürger wollten ein besseres Leben. Es war eine große Reformbewegung, die ihren Raum fand: Die Entwicklung wurde von weiten Teilen der Bevölkerung getragen.
Es gab die revolutionäre Nacht vom 5. auf den 6. November 1918 mit Massenkundgebungen auf dem Heiligengeistfeld. Der Verlauf war friedlich. Geradezu hanseatisch gesittet wurde der Obrigkeitsstaat abgeschafft.
Eine Anzeige aus einer Hamburger Zeitung vom November 1918 zeigt die Stimmung damals sehr gut. Es ist eine ironische Traueranzeige. Darin heißt es:
„…Heute verschied sanft, ohne nennenswerte Schmerzen im 48. Lebensjahr, das Deutsche Kaiserreich. (…) Aus der Asche des deutschen Reiches erblühte die Republik und bringt den Frieden. Presse- und Redefreiheit und viele andere gute Dinge bringt die Zukunft.“
Zwar gab es auch Tote. Hamburg hat für die 59 Revolutionsopfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof ein Ehrenhain geschaffen. Aber schon am 6. November (dem zweiten Tag!) machten Bürgermeister Werner von Melle und Senator Carl Petersen in ihren Ämtern mit. Sie erklären die Bereitschaft von Senat und Bürgerschaft, sich in den Dienst der „neuen Zeit“ zu stellen.
So blieben der alte Senat und die Bürgerschaft bis zu den demokratischen Wahlen im März 1919 im Amt. Die neue demokratisch gewählte Bürgerschaft baute ein Arbeitsamt auf und startete das erste öffentliche Wohnungsbauprogramm.
„Das Jahr 1918 ist das Jahr Eins“, schrieb die Hamburger Wochenzeitschrift die Zeit. „Das Jahr, in dem unsere Zeit erst wirklich begann“. Das zeigt diese Ausstellung.
Ich danke allen, die sich für die Entwicklung der Ausstellung und die Konzeption des Themenjahrs „Hamburg 1918/1919 - Aufbruch in die Demokratie“ engagiert haben.
Das Themenjahr ist eine große Chance, mehr über unsere Stadt zu erfahren.
Das Museum für Hamburgische Geschichte hat die Idee von Beginn an unterstützt und diese Sonderausstellung vorbereitet.
Viele haben sich an der Suche nach Quellen und Ausstellungsgegenständen beteiligt. Die Hamburger Bürgerinnen und Bürger haben ihre Erinnerungsstücke vorbeigebracht. Sehr viele Hamburger Institutionen haben etwas beigesteuert. Flugblätter, Postkarten und Fotos wurden aus den Kellern geholt. Insgesamt zeigt die Ausstellung 300 Exponate. Die meisten sind nun erstmals für alle öffentlich zugänglich.
Die Jahre 1918/1919 waren ein Aufbruch in die Demokratie. Deshalb ist das Themenjahr ein sehr guter Anlass, auch über die Zukunft der Demokratie nachzudenken. Denn mancherorts wird unsere freiheitliche Gesellschaft in Frage gestellt.
Ein gutes Verständnis unserer Geschichte kann helfen, die Gegenwart zu verstehen und Zukunft zu meistern. Wer weiß, wie alles begann, kann demokratiefeindliche Tendenzen besser erkennen und ihnen entgegen treten.
Ausstellungen wie diese zeigen die Errungenschaften der Demokratie. Sie machen stolz auf das Erreichte und Mut, die Demokratie und weiter zu entwickeln und zu stärken. Die besten Tage liegen vor uns.
Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.