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Aktuelles

Bild: Jan Pries / Senatskanzlei Hamburg
01.11.2018 | Rede

Aufbruch in die Demokratie – 100 Jahre Novemberrevolution

Sehr geehrte Frau Büdenbender,
sehr geehrter Herr Abdollahi,
sehr geehrte Mitglieder des Konsularischen Korps,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schülerinnen und Schüler,

herzlich Willkommen im Festsaal des Hamburger Rathauses.

"Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit" ist der Satz, über den wir heute sprechen wollen, obwohl es gerade vielen jüngeren Menschen selbstverständlich erscheint, woran wir uns gewöhnt haben:

  • Dass Regierungen gewählt und abgewählt werden.
  • Dass sich alle in Zeitungen, im Radio, im Fernsehen, im Internet über alles informieren und eine Meinung bilden können.
  • Dass sie diese Meinung auch frei äußern dürfen auf Flugblättern, auf Kundgebungen und Demonstrationen, seit einigen Jahren in den sozialen Medien.

Das alles kommt uns in Deutschland selbstverständlich vor. Die Hälfte der Menschheit lebt aber in Staaten, in denen diese demokratischen Rechte nicht selbstverständlich sind.

In Deutschland hat der Weg in die Demokratie nach dem Ersten Weltkrieg begonnen. Es herrschte überall Hunger und Hoffnungslosigkeit.

Im Oktober 1918 erreichte die Spanische Grippe ihren Höhepunkt - eine schwere Erkrankung. Tausende starben damals auch deshalb, weil sie durch Unterernährung geschwächt waren.

Die Menschen wollten ein besseres Leben. Als Matrosen in Kiel und Wilhelmshaven gegen weitere aussichtlose Kriegseinsätze meuterten, solidarisierten sich Hamburger Arbeiter mit ihnen und riefen zum Generalstreik auf. Sie besetzten den Elbtunnel, den Hauptbahnhof und dieses Rathaus.

Es gab Tumulte und es wurde auch geschossen.

Nebenan im sogenannten Bürgermeistersaal traf eine Kugel das große Gemälde an der Wand und erst vor kurzem fanden Handwerker hinter der Ledertapete noch Spuren der damaligen Schießerei.

Am 11. November 1918 dankte der Kaiser ab, und im März 1919 wurde die erste freie Wahl einer Hamburgischen Bürgerschaft durchgeführt.

Bei dem Aufbruch in die Demokratie ging es nicht nur um demokratische Rechte im engeren Sinne, also um die Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit, das allgemeine Wahlrecht und die Wahl der Regierung durch ein frei gewähltes Parlament.

Auch vieles andere wurde damals erkämpft:

  • Arbeitnehmerrechte, geregelte Arbeitszeiten und ein Urlaubsanspruch,
  • Betriebsräte in Unternehmen,
  • soziale Einrichtungen und
  • ein besserer Zugang für alle zu Bildung, die eine Voraussetzung dafür ist, dass man viele Berufe ergreifen, seine Talente entwickeln und sein Glück im Leben finden kann. Die neue demokratisch gewählte Bürgerschaft gründete damals unsere Universität und die Volkshochschule in Hamburg.

Deutschland hat in den letzten 100 Jahren aber nicht nur erfahren, wie man Demokratie erringt, sondern auch, wie man sie wieder verliert.

Viele Berichte von Zeitzeugen und Dokumente beschreiben, wie das gekommen ist.

Es war nämlich nicht so, dass die Leute eines Morgens aufgewacht sind und dann waren da plötzlich überall Nazis, alle Zeitungen waren verboten und es gab von einem Tag auf den anderen Terror und Krieg.

Die Sache begann unauffällig und schleichend: Menschen, die bis dahin ganz normale, zum Teil hoch angesehene Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt waren, wurden auf einmal wegen ihres Glaubens anders angesehen, dann diskriminiert, später verfolgt und ermordet.

Die demokratischen Rechte und Institutionen wurden nicht in einem großen Umsturz abgeschafft, sondern Schritt für Schritt durch viele einzelne Taten, viele unwahre Behauptungen und Propaganda - Fakenews würden wir heute sagen - und viele Mitläufer, die gerade als man noch etwas tun konnte, nicht aktiv für den Erhalt der Demokratie eingetreten sind.

Gesetze und eine demokratische Verfassung sind wichtig, aber sie sind nur der Rahmen für eine demokratische Gesellschaft.

Jede Generation muss die Bedeutung von Demokratie für sich selbst erkennen und für die demokratischen Rechte eintreten, wenn sie in Frage gestellt werden.

Demokratie lebt also vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger und von der Einsicht, dass ein demokratischer Rechtsstaat nicht nur für mich selbst, sondern auch für die Rechte und die Freiheit der anderen da ist.

Das ist gerade für Hamburg wichtig. Unsere Stadt hat eine großartige Tradition der Freiheit und Weltoffenheit. Viele Menschen sind in den vergangenen Jahrhunderten über unseren Hafen ausgewandert, viele sind aber auch aus fremden Ländern zu uns gekommen. Menschen aus über 180 Staaten leben in Hamburg.

Wir sind dadurch eine internationale, interessante, vielfältige Stadt mit Beziehungen in alle Welt. Das ist gut für die Wirtschaft und unseren Wohlstand.

Es führt aber auch dazu, dass bei uns viele unterschiedliche Kulturen und Religionen gelebt werden, die sich respektieren und demokratisch miteinander umgehen müssen.

Das beginnt schon in der Schule. Es geht damit los, dass man sich dafür einsetzt, dass alle gut zusammen lernen und respektvoll miteinander umgehen.

Konflikte und Meinungsverschiedenheiten gehören zum Leben in der Gemeinschaft dazu, auch in der Schule. Sie müssen in einer Demokratie fair ausgetragen werden.

Alle müssen zu Wort kommen und ihre Meinung äußern dürfen, allerdings ohne, dass sie dabei die Rechte und "Würde" - wie es im Grundgesetz heißt - ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler in Frage stellen.

Manchmal sind es gerade die versteckten Gemeinheiten und Benachteiligungen, die anderen das Leben schwer machen.

Viele Grundrechte, wie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, wurden zwar 1949 ins Grundgesetz geschrieben, aber es dauert bis heute, diese Grundrechte auch in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen.

Demokratie ist nie fertig, sondern muss immer an die Veränderungen der Zeit angepasst, erneuert und weiter entwickelt werden. Heute wollen wir darüber sprechen, was aus Sicht der jungen Generation für eine starke Demokratie in der Zukunft wichtig ist.

Wenn wir das hinbekommen, liebe Schülerinnen und Schüler, kann ich Euch versprechen: Die besten Tage liegen vor uns.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.