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Aktuelles

Bild: Pressestelle des Senats

06.05.2024 | Rede

74. Überseetag

Sehr geehrter Präsident des Überseeclubs, Herr Vogelsang,
Sehr geehrter Herr Bundesminister Pistorius,   
sehr geehrte Abgeordnete,
Herr Doyen Jaworski und Mitglieder des konsularischen Korps,
Frau Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende Fehrs,
sehr geehrte Vertreter der Bundeswehr, 
sehr geehrte Mitglieder und Gäste des Übersee-Clubs, 

herzlich Willkommen zum Überseetag, der traditionell mit einer Morgenveranstaltung im Hamburger Rathaus ausgerichtet wird.

Genau vor 74 Jahren, beim ersten Überseetag am 6. Mai 1950, begrüßte hier im Großen Festsaal der damalige Bürgermeister Max Brauer die Gäste des Übersee-Clubs.

Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und die Not der Nachkriegsjahre prägten die Zeit, aber auch die Tatkraft des Wiederaufbaus.

Mit eindringlichen Worten sprach Bürgermeister Brauer darüber, worauf es damals ankam:

  • Den Hamburger Hafen und seine Werften instand zu setzen,
  • den Handel wieder in Schwung zu bringen,
  • und mit Hamburgs guten Kontakten in der Welt zum Wiederaufbau der internationalen Beziehungen Deutschlands beizutragen.  

Also genau jene Leitmotive, die auch für die Gründung des Übersee-Clubs 1922 ausschlaggebend waren.

Es gehört seit 100 Jahren zum Selbstverständnis des Übersee-Clubs, den Blick über die Grenzen Hamburgs hinaus auf die internationale Lage zu richten, die heute von Krisen und Konflikten überschattet wird. 

Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat zu einer Zeitenwende geführt, wie es Bundeskanzler Scholz wenige Tage nach den ersten Angriffen im Bundestag formuliert hat. 

Vieles hat sich seitdem verändert, in der Welt und bei uns in Deutschland.

Wir sind nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, auch wenn die öffentliche politische Diskussion und mediale Resonanz das nicht vermuten lassen. 

Seit dem Beginn des Krieges hat Deutschland der Ukraine bisher mehr als 30 Milliarden Euro an bilateralen Hilfen zur Verfügung gestellt.

Die Menschen in der Ukraine haben unsere Solidarität und Unterstützung nicht nur moralisch verdient. 

Ihr Kampf um nationale Souveränität und Freiheit und die geschlossene Reaktion der freien, demokratischen Welt machen deutlich, dass ein Bruch des Völkerrechts im 21. Jahrhundert nicht einfach hingenommen wird.

Keine zweite Institution in Deutschland ist so stark von der Zeitenwende betroffen wie die Bundeswehr. 

Nachdem sie sich in den vergangenen 20 Jahren vor allem der internationalen Konfliktprävention, der Krisenbewältigung und der Terrorismus-Bekämpfung gewidmet hat, stehen als Reaktion auf die russische Aggression jetzt wieder die Landes- und Bündnisverteidigung im Mittelpunkt.

Der Verteidigungsminister wird uns heute sicher einen Einblick geben, welche Veränderungen in der Organisation, der Ausstattung und der Strategie der deutschen Streitkräfte und unserer Partner in der NATO damit verbunden sind.  

Erstmals seit den 1990er Jahren liegen die deutschen Verteidigungsausgaben bei dem von der NATO geforderten Anteil von 2% der Wirtschaftsleistung.

Und zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr ist seit Anfang April eine Brigade dauerhaft im Ausland stationiert, an der NATO-Ostgrenze in Litauen.

Doch die Reaktion auf die neue Weltlage kann sich nicht auf militärische Fragen allein beschränken. 

Resilienz bedeutet Stärke und Widerstandskraft des gesamten Staates und der ganzen Gesellschaft.

Dabei geht es zum Beispiel um den Schutz kritischer Infrastruktur vor Angriffen und Sabotage, um Krisenmanagement auf Länder- und kommunaler Ebene und um eine bessere zivil-militärische Zusammenarbeit.

Als zweitgrößte Stadt Deutschlands mit einem der größten Seehäfen Europas, als Zentrum von Industrie und Logistik im Norden, wollen wir unseren Beitrag leisten zur Verbesserung der Resilienz Deutschlands.

Die Bundeswehr ist mit ihren Dienststellen und über 6.000 Beschäftigten ein bedeutender Teil unserer Stadtgesellschaft.

Ihre großen Einrichtungen – das Bundeswehrkrankenhaus, die Helmut-Schmidt-Universität und die Führungsakademie – genießen einen hervorragenden Ruf.

Die Bundeswehr ist eine starke Säule unseres Katastrophen- und Heimatschutzes und betreut im Rahmen des Host Nation Supports die zahlreichen ausländischen Marineeinheiten in unserem Hafen.

Der Senat und die Hamburger Behörden arbeiten eng mit der Bundeswehr zusammen.

Erst in der vergangenen Woche habe ich das Rettungszentrum in Wandsbek besucht und war beeindruckt von dem Teamgeist, mit dem das medizinische Personal der Bundeswehr, die Hamburger Feuerwehr und die Bundespolizei mit dem Rettungshubschrauber Christoph 29 gemeinsam dafür sorgen, dass in Hamburg auch in schwierigsten Situationen in wenigen Minuten ein Notarzt und ein Rettungsteam vor Ort ist, wenn Hilfe benötigt wird. 

Sehr geehrter Herr Standortkommandant, Kapitän zur See Giss, vielen Dank für die traditionell gute Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und der Stadt Hamburg.

Und, sehr geehrter Herr Kommandeur und Ärztlicher Direktor des Bundeswehrkrankenhauses, Herr Oberstarzt Dr. Harbaum, Sie haben ein hervorragendes Team in Wandsbek. Schönen Gruß und noch einmal herzlichen Dank für den Einblick in Ihre Arbeit und den großartigen Job, den Ihre Leute machen.

Unter der Federführung des Landeskommandos finden 2024 im Rahmen der Übungsreihe „STEADFAST GUARDIAN“ mehrere Übungen statt, in denen die Sicherung und der Schutz kritischer Infrastruktur vertieft und die Verlegung von Truppen geübt werden – insbesondere im Hafen und am Hamburg Airport.

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor etwa zwei Wochen habe ich Kyiv besucht und einen starken persönlichen Eindruck erhalten, was Resilienz in der Krise bedeutet, welche Kraftanstrengung derzeit in der ukrainischen Hauptstadt erforderlich ist, um die Versorgung einer Millionenstadt aufrechtzuerhalten:

Die Strom- und Wasserversorgung, den öffentlichen Nahverkehr, die Betreuung von Kindern und älteren Menschen. Die gesundheitliche Versorgung und Behandlung von Kriegsopfern.

Es ist bewundernswert, mit welcher Entschlossenheit und Ausdauer die Bürgerinnen und Bürger von Kyiv das öffentliche Leben aufrechterhalten in ihrer Stadt, die in vielen Bereichen Hamburg sehr ähnlich ist. 

Niemand denkt auch nur eine Sekunde ans Aufgeben.

Mit dem „Pakt für Solidarität und Zukunft“, den Bürgermeister Vitali Klitschko und ich wenige Wochen nach dem Überfall Russlands zwischen unseren Städten geschlossen haben, unterstützen wir die ukrainische Hauptstadt seitdem auf vielfältige Weise. 

Mit Hilfsgütern und Schutzausrüstung. Im Rettungsdienst und bei der medizinischen Versorgung. Im öffentlichen Nahverkehr und bei der Aufrechterhaltung der städtischen Strom- und Wasserversorgung. 

Dabei geht es um materielle Hilfe, aber auch um den fachlichen Austausch von Experten und um die moralische Unterstützung von Menschen, die darauf setzen, dass sie nicht vergessen werden und unsere Unterstützung erhalten, solange dies nötig ist.

Vitali und Wladimir Klitschko haben mich gebeten, den Hamburgerinnen und Hamburgern ihren herzlichen Dank zu übermitteln für die Hilfe in dieser schweren Zeit.

Dieser Dank gilt ausdrücklich auch den Mitgliedern des Übersee-Clubs, die mit einer Großspende von 100.000 Euro den Kauf von Generatoren ermöglicht haben, mit denen im Notfall die Wasserversorgung der Stadt Kyiv aufrechterhalten werden kann.  


Herzlichen Dank Ihnen im Namen von Vitali und Wladimir Klitschko und der Menschen in Kyiv.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor gleich Bundesminister Pistorius das Wort ergreift, um über seinen Blick auf die aktuelle Verteidigungspolitik zu berichten, möchte ich noch an einen Hinweis erinnern, einen kleinen hanseatischen Impuls sozusagen, der sich in der Geschichte des Übersee-Clubs wiederfindet. 

In seiner Rede im Jahr 1958 sagte der damalige NATO-Generalsekretär Paul Henri Spaak vor dem Übersee-Club:

„Es ist nicht zweckmäßig, Probleme der Außenpolitik gefühlsmäßig zu erörtern. Ich glaube, es ist besser, mit kühler Vernunft an sie heranzugehen.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen interessanten 74. Überseetag.

Herzlichen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.