Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir sind jetzt in der Corona-Pandemie in einer kritischen Phase. Die sogenannte zweite Welle trifft Europa mit großer Wucht.
Die Infektionszahlen erreichen täglich neue Höchstwerte. Die Regierungen von Frankreich, Spanien und Tschechien haben den Notstand ausgerufen. Madrid wurde abgeriegelt, in Paris eine generelle Ausgangssperre verhängt. Aus Belgien, Frankreich, Tschechien liegen Ersuchen vor, Intensivpatienten nach Deutschland zu übernehmen.
Auch aus unseren Partnerstädten, zu denen wir enge Beziehungen pflegen, erreichen uns bestürzende Nachrichten. In Marseille liegt die 7-Tage-Inzidenzrate pro 100.000 Einwohner bei über 500. Zwischen 21 und 6 Uhr gilt eine generelle Ausgangssperre. In Prag wurden bis auf die Grundversorgung alle Geschäfte und Dienstleistungen geschlossen. Es besteht eine generelle Ausgangssperre. Alten- und Pflegeheime sowie soziale Einrichtungen dürfen von Besuchern nicht mehr betreten werden. Die Krankenhäuser sind überlastet, auf dem Prager Messegelände wird derzeit ein Feldlazarett errichtet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
es gibt keinen Grund mehr, daran zu zweifeln, dass uns auch in Deutschland diese Entwicklung droht, wenn wir nicht alle durch unser persönliches Verhalten mithelfen, genau dieses zu verhindern.
Denn auch in Deutschland hat die Verbreitung des Virus stark zugenommen. Laut Robert Koch Institut wurden heute bundesweit rund 15.000 Neuinfektionen gemeldet. Mehr als zwei Drittel der Städte und Landkreise haben die kritische 7-Tage-Inzidenzrate von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner überschritten. München liegt aktuell bei über 120, Berlin bei 130, Frankfurt mittlerweile bei über 200.
Als letzte Großstadt hat Hamburg nach den Berechnungen des RKI am vergangenen Freitag die Fünfziger-Grenze überschritten. Unsere Gesundheitsämter melden heute rund 400 Neuinfektionen. Auch bei uns steigt die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen stetig. Der Leiter der Intensivmedizin des UKE schätzt die Entwicklung im Gesundheitswesen in Deutschland in den kommenden Wochen als sehr ernst ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Hamburgerinnen und Hamburger,
glauben Sie nicht denjenigen, die die Gefahr leugnen und die Sache damit noch schlimmer machen.
Wir können und müssen uns jetzt diszipliniert verhalten, wenn wir eine dramatische Entwicklung der Pandemie in Deutschland und bei uns in Hamburg verhindern wollen.
Denn es gibt einen Kernfaktor in dieser Pandemie, und das ist kein Problem einer Regierung oder einer Verordnung oder eines Konzepts, sondern es ist eine Eigenschaft des Virus SARS-CoV-2. Das Kernproblem besteht darin, dass auch Personen, die wenig oder gar keine Symptome haben, infiziert sein und diese Infektion auch übertragen können.
Mit anderen Worten, man kann von außen nicht sehen, ob wir selbst oder andere infektiös sind. Auch ein Test kann das nur für eine kurze Zeit ausschließen.
Deshalb müssen wir uns alle vorsichtig verhalten - ob wir uns krank fühlen oder nicht.
Und deshalb müssen wir uns alle konsequent an die Regeln halten, die jetzt unbedingt notwendig sind: Abstand halten, Hygiene beachten, Maske tragen und persönliche Kontakte mit anderen so weit wie möglich verringern.
Das ist die einfache und klare Botschaft in diesen Tagen: Es kommt auf das Verhalten jeder und jedes Einzelnen an!
Meine Damen und Herren,
Hamburg hat sich in der Pandemie bisher gut behauptet. Wir haben an den kritischen Stellen gearbeitet und die erforderlichen Maßnahmen immer frühzeitig ergriffen. Mit mittlerweile fast 15.000 Corona-PCR-Untersuchungen pro Tag testen wir deutlich mehr als andere Städte und Bundesländer.
Alle vergleichbaren großen Städte in Deutschland - Berlin, Bremen, Düsseldorf, Köln, München - lagen in den letzten Wochen in der 7-Tage-Inzidenz vor uns. Selbst die großen Flächenländer Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg haben im Durchschnitt eine höhere Infektionsdynamik als Hamburg.
Aber auch wir müssen gegenüber dem Virus wieder Boden gut machen, denn unsere 7-Tage-Inzidenz ist in den letzten Tagen ebenfalls sehr stark gestiegen.
Auch die älteren Jahrgänge, also Personen, bei denen Covid-19 lebensbedrohlich werden kann, sind wieder stärker betroffen. In unseren Kliniken werden derzeit knapp 150 Covid-19-Patienten behandelt, 34 von ihnen befinden sich auf der Intensivstation.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat am 16. Oktober 2020 eine erweiterte Maskenpflicht für den öffentlichen Raum und eine Sperrstunde für die Gastronomie ab 23:00 Uhr beschlossen.
Seit Montag gilt, dass private Feiern und Zusammenkünfte auf zehn Personen aus höchstens zwei Haushalten begrenzt bleiben müssen. Denn es hat sich gezeigt, dass viele Infektionsfälle mittlerweile mit einer sehr großen Zahl an Kontaktpersonen einhergehen, die nur noch schwer von den Gesundheitsämtern nachzuverfolgen sind.
Die Kontaktnachverfolgung ist aber ein zentrales Element der Pandemiebekämpfung. Indem wir Ausbrüche und potenzielle Krankheitsüberträger erkennen, können Infektionsketten durchbrochen und damit die Verbreitung des Virus gestoppt werden. Deshalb müssen wir die Zahl unserer unmittelbaren Kontakte stark verringern.
Liebe Hamburgerinnen und Hamburger,
wir müssen derzeit viele Gewohnheiten in Frage stellen und uns in unserem täglichen Leben stark beschränken.
Wir sind in einer ernsten Lage. Es ist jetzt nicht die Zeit, zu feiern. Ich bitte Sie dringend, die Corona-Regeln einzuhalten und mitzuhelfen, den starken Anstieg der Infektionsdynamik zu stoppen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
morgen wird die Bundeskanzlerin im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zur Corona-Pandemie abgeben. Sie hat für heute kurzfristig zu einer Videokonferenz mit den Minister-präsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder eingeladen, die bereits begonnen hat.
Ich möchte Sie, sehr geehrte Abgeordnete, um Verständnis bitten, dass ich die heutige Debatte nicht bis zu Ende verfolge, um an den Beratungen mit der Bundeskanzlerin teilzunehmen, denn es wird darum gehen, sehr weitreichende zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um im Verlauf der Pandemie weiteren Schaden abzuwenden.
Es wird darum gehen, die aktuell viel zu hohe Infektionsdynamik durch einen zeitlich begrenzten, aber harten Einschnitt abzubremsen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich auf konsequente Kontaktbeschränkungen unter anderem in der Freizeitgestaltung, im privaten Bereich und der Gastronomie.
Ich halte es weiterhin für wichtig, dass wir die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zwischen Bund und Ländern abstimmen und möglichst einheitlich vorgehen, denn es muss für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Klarheit geben, worauf es jetzt ankommt.
Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Entwicklung der Pandemie ist jetzt in einer sehr kritischen Phase und mit dem fortschreitenden Infektionsgeschehen ändern sich auch die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Virusverbreitung einzudämmen.
Die gute Nachricht ist, dass gleichzeitig auch unser Wissen über das Virus und seine Verbreitungswege wächst.
Wir können also mehr tun und dabei zugleich gezielter vorgehen als im Frühjahr.
Der Senat wird sich dafür einsetzen, dass wir den Betrieb von KITAs und Schulen aufrechterhalten, denn Bildung und Betreuung sind von größter Bedeutung für die Familien und es gibt zahlreiche Hinweise, dass vor allem jüngere Kinder und Jugendliche durch COVID-19 selbst kaum gefährdet sind und auch weniger zum Infektionsgeschehen beitragen.
Dagegen sind Ältere besonders gefährdet. Durch den gezielten Einsatz von Antigen-Schnelltests wollen wir ältere Menschen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen besser vor Infektionen schützen, damit sie weiterhin Besuch empfangen können und nicht sozial isoliert werden.
Schnelltests können auch in anderen Bereichen eingesetzt werden, um die Verbreitung von Infektionen ohne zusätzliche Inanspruchnahme der medizinischen Labore besser zu kontrollieren.
Wir werden unsere Corona-Soforthilfe fortführen, mit der wir bereits über eine halbe Milliarde Euro an Betroffene ausgezahlt haben. Wir können damit nicht jede Notlage verhindern, aber wir helfen, wo es nur geht.
Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung für die kommende Phase der Pandemiemaßnahmen bis Ende November den Branchen zusätzliche finanzielle Unterstützung gibt, die von den Beschränkungen noch einmal besonders betroffen sind.
Ab dem 8. November gilt in Deutschland ein einheitliches Quarantäneregime: Wer aus einem Risikogebiet im Ausland zurückkehrt, muss sich in häusliche Quarantäne begeben und das zuständige Gesundheitsamt informieren. Nach fünf Tagen kann dann ein Corona-PCR-Test durchgeführt werden, der die Dauer der Quarantäne verkürzt, wenn er negativ ausfällt.
Der Erfolg unseres Krisenmanagements in der Pandemie beruht zu einem großen Teil auf der guten Arbeit unserer Gesundheitsämter, die auch die Kontaktnachverfolgung leisten.
Mit dem "Hamburger Pandemie-Manager" haben wir eine Software entwickelt, in der alle relevanten Schritte der Kontaktverfolgung und der Quarantäneüberwachung in einem digitalen System für ganz Hamburg effizient bearbeitet werden können.
Wir haben das Personal in den Gesundheitsämtern für diese Aufgaben auf mittlerweile 500 Vollkräfte erhöht, hinzu kommen noch Kräfte der Bundeswehr und Freiwillige mit medizinischen Kenntnissen, und wir werden die Ausstattung der Gesundheitsämter mit Personal und Technik weiter verbessern.
Die Sozialsenatorin wird Ihnen im Verlauf der Debatte Weiteres berichten
- über die Lage im öffentlichen Gesundheitsdienst,
- wie wir uns in anderen Feldern auf die Herausforderungen der zweiten Welle der Pandemie einstellen und
- wie wir uns vorbereiten auf den Zeitpunkt, zu dem ein Impfstoff zur Verfügung steht und wir damit beginnen können, die ersten Gruppen der Bevölkerung durch eine Impfung vor einer Corona-Infektion zu schützen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
es gibt viele ermutigende Berichte über die Fortschritte in der Impfstoffentwicklung und zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Virus und die Erkrankung die es verursacht. Derzeit sind über 40 Impfstoffe in der klinischen Prüfung. Das ist mehr, als man im Frühjahr erwarten konnte.
Hamburg trägt seinen Teil dazu bei, die Corona-Forschung voranzutreiben, Impfstoffe zu entwickeln und die Behandlung von COVID-19 zu verbessern.
Das Universitätsklinikum Eppendorf ist an allen Bereichen dieser Forschung beteiligt und hat mittlerweile rund 200 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht. Die Studien der Hamburger Rechtsmedizin sind deutschlandweit einzigartig. Seit Anfang Oktober wird in Eppendorf ein Impfstoff gegen Corona an den ersten Probanden klinisch erprobt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir sind in einer kritischen Lage, aber es ist so, wie Frau Prof. Addo, die Leiterin der Infektionsmedizin am UKE vor einigen Tagen gesagt hat: "Deutschland ist gut vorbereitet. Wir haben die erste Welle gut bewältigt und werden das, was jetzt kommt, auch gut bewältigen."
Genauso ist es, aber dazu bedarf es noch einmal einer sehr großen Kraftanstrengung aller. Wir brauchen entschlossenes Handeln, Geduld und Disziplin!
Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg versteht die Lage und akzeptiert die Beschränkungen für unser Leben, die wir derzeit auf uns nehmen müssen.
Der Senat informiert kontinuierlich über den Verlauf der Pandemie. Wir betreiben eine umfassende und fortlaufend aktualisierte Plattform im Internet, beantworten jede Woche Hunderte Fragen in den Sozialen Medien, übertragen Pressekonferenzen live ins Internet und führen öffentliche Kampagnen durch. Das ist wichtig für das Verständnis der Regeln und damit auch für deren Akzeptanz, Einhaltung und Wirkung.
Aber es gibt immer noch einige, die Corona auf die leichte Schulter nehmen. Wer in einem Keller hinter verschlossenen Türen eine Party mit fast 100 Leuten veranstaltet - ohne Maske, ohne Abstand - der unterläuft die gesamte Corona-Strategie und bringt uns in größte Schwierigkeiten.
Das ist unverantwortlich in dieser kritischen Lage, und deshalb werden unsere Polizei und Ordnungskräfte die Einhaltung der Corona-Regeln weiter konsequent kontrollieren und durchsetzen.
Es ist von grundlegender Bedeutung, dass wir unsere Kontakte zu anderen verringern, dass wir Maske tragen, Abstand halten und Hygiene beachten.
Wir schützen damit unsere eigene Gesundheit und die unserer Mitmenschen - unserer Familien, Freunde und Bekannten.
Und wir verhindern damit weitere Schäden für die Wirtschaft, die Kultur und das soziale Miteinander.
In dieser ernsten Lage tragen wir alle gemeinsam die Verantwortung, dass Hamburg gut durch die Krise kommt. Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.